Wednesday, July 16, 2008

German translation


Der schönste Busen des Westens

Schriftstelleraufenthalte in fernen Ländern bieten oft Überraschungen und nicht selten lebenswichtige Erfahrungen. Im amerikanischen Iowa City haben sie uns an jedem Werktag Gratiszeitungen unter die Türe geschoben, in denen unter anderem auch ein auffälliges Inserat auf das Programm des lokalen Dancers Night Club hinwies. Er pries Candy Apples alias Süße Äpfelchen und ihre Show an mit dem Titel: „Der schönste Busen des Westens“. Man muss zumindest einmal im Leben Pyramiden gesehen und den Papst erlebt haben, aber auch der schönste Busen des Westens verdient unsere Aufmerksamkeit. Und so bin ich mit dem Dichter Ariel losgezogen.

Amerikanische Städte haben keine Zentren wie die unseren und oben drein sind solche Clubs irgendwo in der Vorstadt zwischen Gebäuden, die an Lagerhallen erinnern, versteckt. Sie wirken weder von Außen noch von Innen anziehend. Der Eintritt ist billig und die Getränke kosten nicht mehr, als wo anders. Man kann dort sogar um wenig Geld in den kurzen Pausen zwischen den Auftritten Billard spielen. Das einzige untrügliche Zeichen, das den Zweck dieses Clubs verrät, ist die Anordnung seiner Möbel. Die wichtigste Einrichtung ist ein Steg mit einer glänzenden Stange, um die sich die Stripperinnen mehr oder weniger verführerisch winden. Rund um den Steg stehen Sesseln wie in einer Bar. Ein paar Sesseln stehen absichtlich ganz hinten an der Wand. Am Steg steht auch die Hütte für den Discjockey. Das ist alles. Noch ein paar Lichter zur Kaschierung der Kahlheit dieses Raums. Dazu Musikdezibels. Und es kann los gehen.

Das Elementare am Programm sind die Mädchen unterschiedlichen Alters, Figur und Hautfarbe. Sie präsentieren sich einzeln auf dem Steg jeweils fünf bis zehn Minuten. Jede von ihnen hat ihre eigene Musik und führt ihre Reize vor. Vorausgesetzt, es gibt welche, manchmal offensichtlich nicht. Die Show soll das Maximum zeigen. Maximum heißt der nackte Körper bedeckt nur mit einem schmalen Streifen des Slips. Der Slip ist wichtig, weil dahinter die Kunden ihre Dollarnoten stecken. Wenn das Mädchen gefällt, geht der Kunde von seinem Tisch, von der Bar oder vom Billardtisch zum Steg und setzt sich auf einen der Sesseln unter dem Steg. Für das Mädchen ist es ein Zeichen zum Abkassieren. Davor aber zeigt sie eine eigenartige Kreation, als ob sie dem Interessenten etwas mehr zeigen möchte als den anderen, was selbstverständlich eine Illusion ist. Der Kunde sieht nämlich nur das, was er schon einmal gesehen hat, nur diesmal aus kürzerer Entfernung. So gesehen haben Grätschstellungen und andere Posen keinen Sinn.

Candy Appeles war nicht besonders groß, dafür aber perfekt gebaut. Und sie zog ein unvergleichbar schöneres Gewand aus, als es die ordinären Mädchen vor ihr von sich gerissen hatten. Ihre Show dauerte nicht lange und rund um den Steg versammelten sich Kunden, denen Candy ein paar Extras bot. Keine billige Entblößung vor irgendeinem lokalen Gammler, keine Grätschen. Sie verlangte zuerst die Banknote, ließ diese auf die Hälfte zusammen gefaltet auf die Nase des Kunden legen und nahm sie anschließend durch das Zusammenpressen ihrer großen, festen Brüste von der Nase. Wirksam, elegant und vor allem schnell. In kurzer Zeit hatte der Star des Abends einen ansehnlichen Haufen von Dollars hinter ihrem Strapsgürtel.

Ich muss zugeben, ich habe nicht widerstehen können. Mir von meiner Nase vom schönsten Busen des Westens eine Banknote nehmen zu lassen, wird ein fürs ganze Leben unvergessliches Erlebnis bleiben. Es war wie eine mütterliche Umarmung.

Etwas Großes, Weiches und Duftendes verdeckt ihnen die Augen und Sie sind um eine Banknote ärmer und um eine Erfahrung reicher. Nach der Vorstellung bot Candy wie der Star des Abends ihre Autogrammkarten an und für einen besonderen Zuschuss war sie bereit, sich barbusig bei Ihnen auf den Schoß zu setzen. Das alles mit dem Zweck, Ihre neidischen Freunde zu ärgern und Ihrer Gattin einen stichhaltigen Beweis für das Scheidungsverfahren zu liefern.

Ich konnte nicht anders, ich musste mehr erfahren als irgendein einfacher Kunde. Ein Schriftsteller hat doch Anrecht darauf, neugierig zu sein! So habe ich mich vorgestellt und begann mit Candy eine Unterhaltung. Sie war sehr zuvorkommend, herzlich, aber meine Visitenkarte hat sie auffallend lange studiert. Erst nach einer Weile erlaubte sie sich einen absolut unprofessionellen Aufschrei: „Slowakei?! Wir sind doch fast Landsleute. Ich heiße Halyna und komme ursprünglich aus der Ukraine!“

So ist es, meine Verehrten, die Wahrheit ist ans Licht gekommen – der schönste Busen des Westens kommt aus dem Osten!

Translation into German by Zdenka Becker

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